von Paradiesvogel » 06.09.2004 23:38
Hallo Wildchild,
wie schon von den anderen angemerkt, gibt es eine durchgehende polynesische Tätowiertradition nur in Samoa. Dort wird traditionell bei Männern im Alter von 15-16 Jahren der Bereich von Knie bis Nabel (d.h. eine Art Hose) in 10 bis 12 Sitzungen tätowiert. Tätowiert werden hierbei geometrische Formen, wie Dreiecke, Vierecke, Striche usw. Eine tiefere Bedeutung der Muster besteht aber offenbar nicht, die Muster kennzeichnen bestenfalls den Tätowierer und damit den Heimatort des Tätowierten. Die Tätowierung, das Pea selbst, hat dagegen schon tiefere Bedeutung. Es ist ein klassisches Initialtattoo, das den Träger berechtigt, am Dorfrat teilzuhaben.
Deswegen würde ich davon abraten, sich eine korrekt im samoanischen Stil gehaltene "Hose" tätowieren zu lassen.
Gegen Ausrisse der Muster an anderer Stelle ist dagegen kaum etwas einzuwenden.
Frauen wird das lichtere Malu gestochen, ohne dass sie deshalb dem Dorfrat angehören.
Zu den anderen Ländern Polynesiens:
Tahiti und Maquesas: Bereits Forscher Karl von den Steinen fand 1900 keine Tätowierten mehr auf Tahiti vor und wurde deshalb zu den Maquesas weiter geschickt, wo er wertvolles Material sicherstellen konnte, das den heutigen tahitianischen Tätowierern weitestgehend als Grundlage dient. Ende des traditionellen Tätowiererens auf Tahiti somit etwa 1830, Maquesas etwa 1880. Ab 1982 setzt im Rahmen der polynesischen Unabhängigkeitsbewegung ein verstärktes Intersesse auch an der Tätowierkunst ein, wobei sich vor allem an den Aufzeichnungen von der Steinens orientiert wird. Tiefsinnigere Bedeutungen können diesen Motiven zwangsläufig nicht mehr beigemessen werden, abgesehen von einer gegen die französische Atomarmacht gerichteten Grundhaltung.
Die Maquesas-Motive weisen im Gegensatz zu Samoa auch runde Formen auf. Über die "Hose" hinaus wurden auch der Bereich bis zu den Füßen und bis ins Gesicht tätowiert. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die um 1750 herrschende Überbevölkerung der Maquesas (ca. 75000-100000 Einwohner, heute 6000). Da dem Tätowierten während der Tätowierzeit und des Heilungsprozesses Sex verboten war, eine Art Bevölkerungspolitik, denn das Ansehen stieg mit der Menge an tätowierter Fläche.
Neuseeland, eigentlich Aotearoa: Die Tätowiertradition endete um 1840, vorher wurden wegen des Kopfgeldpreises selbst Kriegsgefangene mit dem moko tätowiert. Wiederbelebung ähnlich Tahiti ab den 1980er Jahren. Die Spiralform ist hier überliefert, ohne dass Aussagen über ihre Bedeutung getroffen werden können. Die Ausweitung der klassischen Tätowierung "Hose" auf das Gesicht wird unabhängig von den Maquesas hier auch auf die widrigeren, klimatischen Bedingungen zurückgeführt. Da die Tätowierung Ansehen bedeutete, wollte sie schon gezeigt werden; andererseits zwangen die Temperaturen zum Bekleiden. Interessant in diesem Zusammenhang auch, dass Weber und Tätowierer bis 1800 ein und dieselbe Person waren.