Interessante Fragen. Ich kenn mich ja mit dem Tätowieren selbst wenig bis gar nicht aus, dafür will circa aller 3 Tage jemand von mir was übersetzt haben, meist für ein Tattoo. Und da stell ich wirklich Trends fest:
a) Tattoos in fremden Sprachen sind sehr sehr beliebt ? je exotischer, desto besser, hauptsache es sieht mystisch aus und keiner kann's lesen (Träger eingeschlossen).
b) Chinastempel sieht man in "freier Wildbahn" an fremder Schrift am häufigsten, aber die wenigsten machen sich die Mühe, nachzuforschen, vertrauen einfach den Stickeralben der Inker, da stehen die gewöhnlichen Zeichen auch drin: Liebe, Hoffnung, Stärke, Glaube, Energie, Familie, Freundschaft, Treue... tiefsinnig klingende Worte. Doch wer weiß schon bescheid über die genauen Bedeuteungsnuancen. Nach Chinesisch werd ich sehr selten gefragt, wahrscheinlich sind die meisten entweder mit den ausliegenden Motiven zufrieden oder viele wollen besonders "kreativ" sein und wählen eine fremde Schrift.
c) Am beliebstesten sind anscheinend Tattoos auf Tibetisch, Arabisch, Elbisch, Hindi und Khmer. Manchmal auch Hebräisch. In etwa dieser Reihenfolge. Die Gründe liegen zu 95% nur im Aussehen der jeweiligen Schrift, schätz ich. Kaum jemand (meistens hinterfrag ich da nochmal) hat einen Bezug zur tibetischen, arabischen, indischen oder kambodschanischen Kultur ? nur bei der elbischen "Kultur" (bzw. dem HdR-Kult) gibt's 'ne Ausnahme ? und wenn, wird pauschal irgendwas gesagt, was man wohl mal wo aufgeschnappt hat: "Die geistige Ausgeglichenheit der Tibeter, oh... faszinierende Kultur." ist immer das Paradebeispiel. Aber die meisten sagen auch offen, dass sie's nur haben wollen, weil's cool aussieht...
? Tibetisch finden viele cool, weil die Schrift so zackig und messerartig wirkt. Und halt wegen dem Pseudo-Mystizismus.
? Arabisch finden viele cool, weil's eben eine Schreibschrift ist und Wörter oft kringelige Gebilde mit Punkten sind. Kalligraphie eben.
? Elbisch wohl wegen Herr der Ringe und weil die Schrift (zugegebenermaßen) sehr ästhetisch aussieht.
? Hindi, weil Indien für viele auch so ein toll exotisches Land ist, und weil die Buchstaben so lustig auf 'ner Wäscheleine baumeln. Buddhismus ist ja auch in.
? Khmer: Dafür gilt ähnliches wie für Tibetisch, hinzu kommt aber noch der Angelina-Jolie-Effekt (siehe e)).
? Hebräisch kann ich mir nicht erklären. Ich finde die Schrift relativ hässlich, ehrlich gesagt. Komischerweise wollen das immer alle senkrecht haben, was völlig unüblich ist.
d) Komischerweise werde ich fast nie nach manchen eigentlich relativ bekannte Schriften gefragt... Koreanisch, Mongolisch, ägyptische Hieroglyphen, Georgisch, Kyrillisch, Griechisch. Warum? Okay, die letzten beiden sind sicherlich zu einfach und nicht exotisch genug. Bei Georgisch weiß wahrscheinlich keiner wie's aussieht und man kommt auch nicht drauf, weil man's eben noch nie gesehen hat. Für Mongolisch mag das gleiche gelten. Aber Koreanisch und Hieroglyphen? Das finde ich etwas seltsam... ich wurde noch nie gefragt, was Glaube/Liebe/Hoffnung auf Mittelägyptisch heißt.
e) Der Angelina-Jolie-Effekt, sag ich mal... war's die überhaupt? Irgendso 'ne Celebrity-Tussi hat doch auf ihrer Schulter winzig klein auf Khmer irgendwelche weisen Sprüche stehen. Eigentlich ist das Pali, aber in Khmer geschrieben (ja, das ist legitim, haben die früher oft gemacht). Das finden immer alle total toll und wollen das auch... was irgendwie lustig ist, weil es eigentlich nirgendwo richtig scharfe Fotos gibt, wo man die einzelnen Buchstaben erkennen könnte, meistens sieht's aus, als wär sie von einem wilden Waffeltoaster angegriffen...
Angelina Jolie ist nicht die einzige... die Beckhams haben auch alle Tattoos, und die Leute wollen die auch immer. Nicht zu vergessen der eine von den Böhsen Onkelz mit seinem falschen Tibetisch-Tattoo. Egal ob falsch geschrieben oder spiegelverkehrt, hauptsache druff.
f) Zurück zu chinesischen Zeichen: Wie gesagt sind's immer die gleichen Motive: Liebe, Hoffnung, Glück, manchmal auch Leidenschaft, usw. Pseudo-tiefsinnige Begriffe, die entweder nicht zu definieren, schwer zu übersetzen oder ausgelutscht sind. Oder das Sternzeichen (am lustigesten ist's, wenn die Leute ihr *westliches* Sternzeichen auf Chinesisch haben wollen). Und dann immer gleich 3 Stück oder 7 hintereinander. Liebeglaubehoffnungtreue. Was soll das denn?
Warum nicht mal einen Sinn ergebenden Spruch? Eine Weisheit von Konfuzius? Dafür ist China doch so berühmt.
g) Wo wir grad beim Thema sind: Sprüche, ja doch, die Idee haben auch einige. Die meisten wollen dann einen deutschen oder ? noch bekloppter ? einen englischen oder lateinischen Spruch ins Chinesische (oder sonstwas) übersetzt haben. Die Idee, die hinter den einzelnen Sprüchen steckt ist ja oft nicht schlecht und wer Chinesisch nun für eine mystisch Zaubersprache hält, ähm, okay... aber warum verbinden? Ein tolles Zitat, das im Original auf Lateinisch ist und von Cäsar und Co. stammt sollte man doch nicht noch in eine 3. Sprache übersetzen, zumal da meistens sowieso die Rhythmik und implizierten Metaphern verloren gehen. VENI VIDI VICI. Toller Spruch, die Wörter fangen nicht zufällig alle mit V and und hören mit I auf.
Wie gesagt, Bücher von und über Konfuzius, Mencius, Laozi, Zhuangzi usw. stecken voller weiser Sprüche. Und nicht nur die... die Chinesen erfreuen sich daran, ständig sogenannte Chengyu vorzubringen ? kleine 4-silbige Sprüchlein, wie Sprichwörter oder Redewendungen. Die haben immer eine schöne Geschichte und eine oft moralische Bedeutung. Sowas täte sich wirklich eignen für ein Tattoo. Ganz ehrlich. Da würd ich trotz ausgelutschter Chinastempel sagen: Respekt!
h) Nochwas, was jeder zweite haben will: Namen. Meistens den eigenen, manchmal aber auch den des Sohnes (hach...) oder am schlimmsten: den der Freundin / des Freundes (dazu sag ich nix). Das Motiv, jemanden zu verewigen, den man sehr liebt ist ja nachvollziehbar, okay... bei den meisten ist's aber nur der eigene Name. Nicht nur auf Chinesisch, oft auch auf Arabisch oder so. Natürlich bedeuten die Wörter nie etwas, es sind nur Pseudowörter, die zufällig so klingen, wie Personennamen. Teilweise sehr entstellt wie bei chinesisch "Andelie" (André) oder arabisch "Bitar" (Peter, könnte aber auch 'bitter' sein, oder?). Japanisch "Kurausu" (Klaus) und arabisch "Ifun" (Yvonne) sind auch immer schön.
Ich versteh trotzdem nicht so ganz, warum der eigene Name. Vielleicht weil einem nichts anderes eingefallen ist, oder man nicht sicher ist wessen anderen Namen man nehmen könnte, außerdem kann man dann immer sagen, es sei 'sehr persönlich' und 'individuell'. Find ich nun gar nicht, da sind Sternzeichen ja noch individueller (für die, die daran glauben).
i) Und zu guter Letzt, die Schriftarten. Schriften hatten wir ja schon, aber ? und daran denken viele seltsamerweise nicht ? für andere Alphabete gibt's natürlich auch zig Schriftarten (Fonts)... Kursiv, Druck, Schreibschriften, Kalligraphie, Stylisch, Funky, mit Serifen oder ohne, tausende. Ja, auch für chinesische Zeichen gibt's einige tausend verschiedene Computerschriftarten. Komischerweise haben alle immer die gleiche Schriftart (
die hier). Ist so eine 08/15-Pinselnachbildungsschrift. Ganz hübsch, joa, aber keine Kalligraphie. Die sieht man überall. Benutzen sie auch in meinem Chinesischlehrbuch immer. Dabei gibt's soooooooooo viel schöne, wo man wirklich sagen kann, dass sie gut aussehen.
Bei Arabisch genauso. Da haben immer alle Times New Roman als Schriftart auf den Armen. Wenn ich was übersetzen soll, nehm ich immer 5 arabische Schriftarten (und
nicht Times oder Arial), von denen ich finde, dass sie doch recht gut aussehen, eine davon sieht einer Urdu-Handschrift sogar verblüffend ähnlich.
So.
Glückwunsch an alle, die sich das durchgelesen haben.
Und entschuldigung, dass ich mich grad (wieder?) ein bisschen wichtig zu machen versuche. *g*
Aber wie gesagt: Ich bin nicht wirklich ein Tattoofan, aber mich interessieren sie trotzdem und bei Tattoos in Fremdsprachen helfe ich trotzdem immer wieder gern.
Vielleicht interessiert's ja jemanden, wie das für Halb-Außenstehende wirkt. Vor allem da ja viele denken, "Ach, mein ausländisches Tattoos kann eh keiner lesen." ? ja eben doch.
Liebe Grüße,
- André